Tag 7: 21.07.2006 (67 km): Felgentot

unsere sehr schöne Zeltstelle

Der Start in den Tag verläuft für mich alles andere als gut. Ich wache in der Nacht mehrmals mit Bauchschmerzen auf und auch am Morgen sind diese nicht besser geworden. Trotz unruhiger Nacht klingelt der Wecker erbarmungslos 7 Uhr. 15 Minuten bleiben wir noch liegen und dann heißt es raus aus dem Schlafsack. Der Rasen und das Zelt sind vom Tau völlig nass und so beschließen wir schon mal im Zelt zu frühstücken. Vorher erledigt aber jeder noch seinen persönlichen Morgenklogang, der uns zufällig zur gleichen Baumgruppe führt. Das Frühstück im Zelt ist dann schnell verspeist und wir haben keine so rechte Lust wieder in die Nässe hinauszugehen. So trödeln wir noch etwas herum. Ich höre Musik, während Conrad sein Tagebuch vervollständigt. Endgültig in den Sattel schwingen wir uns dann erst 10 Uhr.


Mäfju in unserem gut sortierten Zelt
der Anstieg zum Col de Peyressourde

Gleich zum Beginn der Etappe steht der Aufstieg zum 1563m hohen Col de Peyressourde an. Die wenigen noch am Abend erkämpften Höhenmeter sind wir ja zugunsten des schönen Zeltplatzes am See wieder hinabgefahren und diese wollen zuerst einmal wieder erklommen werden. Conny, von der Last des Zeltes befreit, legt diese in ambitionierter Geschwindigkeit zurück, verringert aber sein Tempo am Abzweig des Vortages wieder. Nun beginnt das schon von den letzten Tagen bekannte Bild. Conny legt einen kleinen Gang auf und pedaliert Richtung Gipfel, während ich mit mehr Kraft versuche mich nach oben zu kämpfen. Der Anstieg ist mit durchschnittlich 8% recht steil, dafür jedoch sehr gleichmäßig. Etwa 3km vor dem Gipfel sehe ich in einiger Entfernung 2 Reiseradler. Meine Vermutung die beiden Snowboarder vom Vortag wieder einmal einzuholen bestätigt sich am Gipfel. Etwa 100m davor schließe ich zu der Frau auf und es gibt ein freudiges wieder sehen. Oben warten wir dann 10min auf Conny und nutzen die Zeit um Erlebnisse des letzten Tages auszutauschen. Leider können beide nur sehr schlecht Englisch. Als Conny oben ankommt verweilen wir noch ein paar Minuten und begutachten sein Hinterrad. Er meinte im Anstieg eine Unwucht festgestellt zu haben und tatsächlich ist eine kleine Delle in der Felge zu erkennen. Wir beachteten dies aber nicht weiter und stürzten uns in die rasende Abfahrt.

Conrad erreicht den Col de Peyressourde

Mäfju während der Abfahrt

Ich hatte schon vorher gelesen, dass diese besonders gut für einen Hochgeschwindigkeitsversuch geeignet ist und so gab ich ordentlich Gas. Dass Conny schon nach 2 Serpentinen nicht mehr hinter mir zu sehen war wunderte mich nicht besonders, da er es bergab meist etwas ruhiger angehen lässt. Und tatsächlich war die Abfahrt fantastisch. Ich erreichte einen topspeed von 76,9km/h! Am Fuß des Berges liegt Luchon und ich stellte mich kurz nach dem Ortseingang an einen Kreisverkehr um auf Conny zu warten. Nach 20min begann ich mir langsam Sorgen zu machen und schaltete mein Handy ein. Conny war aber nicht zu erreichen. Weitere 10min später kamen die beiden Franzosen den Berg hinab und erklärten mir, dass Conny noch in den ersten Kurven stehen würde und einen ernsten Felgenschaden hätte. Inzwischen hatte auch Conny das Handy an und er sagte mir, er könne nur noch schieben und es würde wohl noch 2h dauern. Also beschloss ich ein neues Hinterrad für ihn zu kaufen und ihm damit entgegenzufahren. Ein Radladen war schnell gefunden und die beiden Franzosen halfen mir dem Händler die Situation zu erklären. Der Händler hatte gleich die Idee mit seinem VW Golf zum Gipfel zu fahren und Conny abzuholen. Super Idee! Also ich mit ihm in den Golf und auf zum Gipfel. Auf halben Weg trafen wir dann Conny und luden ihn und sein Fahrrad in den Kofferraum ein. J Unten angekommen wurde der Schaden erstmal genau betrachtet. Ein Urteil stand schnell fest. Nur eine neue Felge und ein neuer Mantel würden helfen. Das Einspeichen dauerte dann leider 2h und so ging ich einkaufen und wir aßen Mittag.

Conrads zerfetzte Felge

Mäfju und ein Mitarbeiter des Fahrradladens verstauen Conrads Rad



Mäfju während der zweistündigen Reperaturpause

Inzwischen war es auch drückend heiß und wir starteten 15 Uhr bei fast 40°C den zweiten teil der Etappe. Conny versuchte wohl verlorene Zeit Wiedergutzumachen und gab auf der Fahrt nach St.Beat mächtig Gas. Der Ort ist eine kleine Arbeiterstadt, die sich in meinen Augen als nicht besonders attraktiv darstellte. Trotzdem stoppten wir dort um in einer Pharmazie etwas gegen meine Bauchschmerzen sowie noch etwas zu essen zu kaufen. Einen kleinen Imbiss genehmigen wir uns am Ortsausgang auf einer Wiese am Fluss. Es gibt wieder einmal Baguette mit Camonbert. Dazu Obst und Joghurt. So gestärkt hofften wir auf einen erträglichen Aufstieg zum Col de Mente. Wir passieren das Ausgangsschild von St.Beat. Ab dort steigt die Straße sofort ruppig an. Auch im Örtchen Boutx lässt die Steigung nicht nach. Ohne Serpentinen steigen wir auf einer Art Rampe an.
Die letzten Kilometer allerdings geht es in vielen Windungen und durch dichten Wald stetig bergan. Dabei verlassen wir den Wald und blicken auf die sich windenden Serpentinen zurück. Die Steigung lässt bis zum Pass keinesfalls nach und man braucht gute Kondition, um diese Auffahrt mit durchschnittlich 10% schadlos zu überstehen. Diese Kondition haben wir in diesem Moment wohl beide nicht. Zwar nicht in Sichtweite zueinander quälen wir uns den als Einzelkämpfer den Berg hinauf. Nur regelmäßige Pausen machen es mir überhaupt möglich hinaufzukommen. Oben bin ich auch völlig am Ende meiner Kraft und warte auf Conny. Gerade als ein Regenguss beginnt kommt Conny auf der Passhöhe in Sicht und nimmt die letzten Meter im Spurt. Auch ihm geht es nicht viel besser als mir und wir beschließen schnellstmöglich nach einer Übernachtung zu suchen und den Col de Portet de Aspet noch einen Tag aufzuschieben.


das Arbeiterstädtchen St.Beat

Mäfju wollte ein Mittel gegen Magenschmerzen und bekam Ripan gegen Sodbrennen
Mäfju wollte ein Mittel gegen Magenschmerzen und bekam RIOPAN gegen Sodbrennen

Mäfju während des Anstiegs zum Col de Mente

erschöpft auf dem Col de Mente

Selbst ohne Essen ist uns das noch lieber als die Aussicht noch einen weiteren Pass erklimmen zu müssen. Die steile und noch Nasse Abfahrt ist aber teilweise in den Fels gebaut und so bietet sich keine Zeltmöglichkeit an. Im Tal angekommen fragen wir bei Einheimischen mit einer Wiese ob wir dort unser Zelt für eine Nacht aufschlagen dürfen. Nachdem sie ihren riesigen Hund gebändigt haben erlauben sie es uns sofort und bieten auch ihre Dusche an. Ok, das hätte bei unserem markanten Geruch wohl jeder aus Selbstschutzgründen getan. ;-)
Frisch gesäubert sinke ich auf meine Isomatte als mich plötzlich der Ruf zum gedeckten Abendbrottisch ereilt. Begeistert setze ich mich und die Gastgeber freuen sich über unsere strahlenden Gesichter. Die Kommunikation funktioniert trotz nur rudimentärer Französisch- auf der einen bzw. Englischkenntnisse auf der anderen Seite erstaunlich gut. Das Essen bietet wieder ausreichend Gesprächsstoff, da uns die männlichen Gastgeber sichtlich stolz die Essgebräuche ihrer Region erklären wollten. Wir nehmen auch alles dankbar an und so sind alle glücklich. Die 3 verschiedenen Weinsorten zu den einzelnen Gängen tragen auch zu einer gelösten Stimmung bei. Als es bereits dunkel ist sind die letzten Sardinen und Camonberts verspeist und ein Abendausflug wird geplant. Die Wahl fällt auf ein nahe gelegenes Volksfest. Conny verabschiedet sich jedoch, weil er sehr starke Bauchschmerzen und Durchfall hatte ins Zelt und so fahre ich mit den beiden Männern allein los. Gegen 23:30 Uhr sind wir dann auch am Zielort und beginnen sofort mit dem einen Bier was wir uns vorgenommen haben. Bei dem einen geplanten bleibt es an diesem Abend aber nicht! … trifft einen Arbeitskollegen, der für die Organisation der Bar zuständig ist und so ist mein Bierbecher ab sofort immer randvoll. Gegen 0:30 Uhr wird es auch schlagartig voll auf den Straßen. Die Jugend der gesamten Umgebung strömt zu diesem wohl eher seltenen happening. Das Schaulaufen der Mädchen belustigt mich und meine Begleiter sehr. Diese versuchen auch permanent mir ein einheimisches Mädchen als Begleitung zur Seite zu stellen. Ich bin sehr froh nach einer Weile auf Mathieu und Sofia zu treffen, die mich den Bemühungen meiner Begleiter entziehen. Sofia kommt aus Griechenland und kann perfekt Englisch, aber auch Mathieu hat 3 Jahre in London gelebt und spricht sehr gut. Ich freue mich nach 1 Woche mal wieder ein Gespräch ohne Hände und Füße führen zu können. Da beide auch 1 Jahr lang in Barcelona gelebt haben lasse ich mir natürlich schon so viel wie möglich von dieser Stadt erzählen. Gegen 2 Uhr verabschieden wir uns und brechen endlich wieder Richtung Zelt auf. … ist mächtig angetrunken und ich wundere mich wie bedenkenlos er in diesem Zustand seinen nagelneuen Audi A4 durch die Serpentinen steuert. 2:30 Uhr kommen wir aber sicher beim Zelt an und ich verabschiede mich schnellstmöglich und falle doch sehr angeheitert auf meine Isomatte.

diese Waldhütte war unsere Rettung

die Sanchez-Brüder waren unsere Gastgeber

Conrad mit Zelt auf der Wiese unserer Gastgeber

einen Bach gabs auch !!

während des Abendessen

Mäfju wird die Funktion eines Grills erklärt



Statistik zum 07ten Tag

leicht bewölkt war es
Vormittag
leicht bewölkt war es
Nachmittag

Tageskilometer
67,08 km
Gesamtkilometer
593,59 km
Höhenmeter
1477 (10644)
maximale Höhe
1569 Meter
Durchschnittsgeschwindigkeit
17,8 km/h
reine Fahrzeit
3:49:37 (35:02:58 h)
Start
10:00 Uhr
Ziel
20:00 Uhr
TopSpeed

54,5 km/h Conrad
76,9 km/h Mäfju
Temperatur
20 - 37 °C
Übernachtung

bei netten Franzosen in der Näde des Poret de Aspet
Übernachtungshöhe
680 m über NN
Trinken


3,5 Liter Wasser
2,0 Liter Saft
1,0 Liter Cola
Stärkungen
k.A.
Ausgaben

3,5 Euro für Einkauf
102 Euro Hinterrad

Tag 6 / Tag 8


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